Joachim Kardinal Meisner

Über einige Aspekte des Katholikentages in Ulm
in: Theologisches Juli 2004


Der Katholikentag in Ulm ist vorbei. In der Berichterstattung sowohl in den Printmedien, wie in den elektronischen, wurde und wird sehr unterschiedlich geurteilt. Jetzt ist auch Zeit, sich gewisse Vorgänge und Aussagen noch einmal vor Augen zu halten. Abstand bringt manche Dinge näher.
So sind beispielsweise die Reaktionen des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, und des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Professor Dr. Hans Joachim Meyer, auf die sachlich begründete Kritik am 95. Deutschen Katholikentag in Ulm durch den Erzbischof von Bamberg, Dr. Ludwig Schick, sehr aufschlussreich.
Die für den Katholikentag Verantwortlichen scheinen nicht einmal eine Nacht über das kritische Wort von Erzbischof Schick geschlafen zu haben, denn das würde ihnen geholfen haben, eine anständigere Antwort zu finden als die des Professors Meyer, dem Bamberger Erzbischof „eine Sehhilfe zu verschreiben“.
Wenn dann noch der Vorsitzende der Bischofskonferenz, wie die Internet-Agentur „Kath.net“ berichtet, zur Kritik seines bischöflichen Mitbruders meint, von Orientierungslosigkeit könne keine Rede sein, wer anderes behaupte, sei wahrscheinlich gar nicht da gewesen, fragt man sich, warum die beiden so gereizt reagieren?
Andererseits wird doch denen, welche die Teilnahme etwa der „Kirche von unten“ oder der „Vom Zölibat geschädigten Frauen“ kritisieren, immer entgegengehalten, der Katholikentag sei ein Dialogforum, wo auch gegenteilige Meinungen zu Wort kommen müssen. Kommt dann Kritik, welche dem Herrn Professor Meyer und anderen nicht passt, wird gleich die große Kanone geladen, um Kritiker mundtot zu machen.
Trägt nicht das Auftreten von Eugen Drewermann beim Katholikentag in Ulm zur Orientierungslosigkeit bei? Darf das nicht mehr kritisiert werden? Ist es so abwegig, sich vorzustellen, was diese offizielle Einladung beim Paderborner Erzbischof hervorrufen muss? Sein Vorgänger hat in jahrelangem, mühseligem Einsatz, bei dem er nicht viel Solidarität von deutschen Bischöfen bekam, sich um eine Klärung der unkirchlichen Lehräußerungen von Herrn Drewermann bemüht, ehe er sich durchsetzen konnte.
Die bedrückenden Demonstrationen gegen Erzbischof Degenhardt vor seinem Haus haben die Verantwortlichen für das Ulmer Programm anscheinend vergessen, als sie Eugen Drewermann einluden, um ihm dort ein offizielles Forum mit gewaltigem Medienecho zu bieten, auf dem er als gefeierter Redner unter anderem sagte: „Wir müssen die katholische Kirche überwinden, um gute Christen zu werden, und vielleicht das ganze Christentum.“
Muss man sich nicht an den Kopf fassen und fragen, was eigentlich mit den Verantwortlichen des Katholikentages los ist? Man braucht auch die zweite Hand, die sich an den Kopf fasst, denn Ähnliches wie für Eugen Drewermann gilt für die Einladung des emeritierten, vom Amt enthobenen französischen Bischofs Jacques Galliot. Unter Beifall plädierte er für eine neue Art von Priestertum, unabhängig von Geschlecht und nur auf Zeit. Drewermann tat „Zölibat und Gehorsam“ als skandalös ab. Prädestiniert Unkirchlichkeit dazu, zum Katholikentag eingeladen zu werden.
Zugegeben, das sind einige Aspekte. Aber Aspekte, die zu denken geben. Dazu gehört auch der Auftritt von Professor Hans Küng, der zusammen mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz ein Forum bestritt. Hans Küng, bekannt für seine Attacken und Aversionen gegen den Heiligen Vater, der in aller Welt überaus geschätzt ist, konnte sich in Ulm auf „hohem Niveau“ mit seinen Thesen auslassen.
Er, dem die Lehrbefugnis vom kirchlichen Lehramt entzogen ist, bekam hier die Möglichkeit geboten, sich von Katholiken als theologische Autorität feiern zu lassen. Seine Schlussbemerkung, dass Kardinal Lehmann dafür sorgen solle, dass ein Papst Johannes XXIV. demnächst gewählt werde, drückt überdeutlich Küngs Geringschätzung für Papst Johannes Paul II. aus. Dass Kardinal Lehmann, der von diesem Papst ins Kardinalskollegium gerufen wurde, darauf keine Antwort fand, macht nachdenklich.
Auch wenn es gut besuchte Bibelarbeiten gab und Beter in Gottesdiensten, die diesen Namen verdienen — es gab auch Teilnehmer, die beklagten, am Herz-Jesu-Fest eine so genannte Ökologiemesse erleben zu müssen, weil das gerade für diesen Freitag vorgeplant war. Es hat den Anschein, als habe der Katholikentag seine Mitte verloren: die Kirche, in der Jesus Christus präsent ist.
Die Schatten über diesem Treffen sind nicht zu übersehen oder wegzudiskutieren. Kann und darf das in Zukunft so weitergehen? Die Frage ist durchaus realistisch.

Wir danken der Kirchenzeitung des Erzbistums Köln für die Abdruckerlaubnis des Textes (Ausgabe Nr. 27 vom 2. Juli 2004).