FELIZITAS KÜBLE

Herbert Vorgimler und die "getrennten Brüder"

 

In der Rezension „Fundamente des Glaubens geleugnet" (Theologisches Nr. 4/2003) hatte ich das neue, Anfang 2003 erschienene Buch von Prof. em. Herbert Vorgrimler untersucht und zahlreiche theologische Irrtümer aufgezeigt. – Das eindeutig häretische Werk des gefeierten Rahner-Schülers trägt den irreführenden Titel „GOTT - Vater, Sohn und Heiliger Geist"; der Münsteraner Dogmatiker verwirft darin entscheidende Teile der kirchlichen Trinitätslehre, leugnet die Gottheit Christi und die Personalität des Heiligen Geistes, kritisiert die Deutung des Kreuzestodes Christi als Opfer bzw. Sühne und stellt die historische Glaubwürdigkeit des Neuen Testamentes infrage. Genaue Belegstellen hierfür finden sich detailliert in dieser Buchbesprechung. Ab 1987 wirkte Dr. Herbert Vorgrimler, der seit 1972 als Nachfolger Karl Rahners in Münster Dogmatik lehrte, einige Jahre auch als Dekan der Kath.-Theologischen Fakultät. Zwei Jahre zuvor veröffentlichte er seine „Theologische Gotteslehre", die sich von wichtigen Teilen der kirchlichen Trinitätslehre distanzierte und überdies erklärte, die „biblischen Gottesbilder" ließen sich heute „nicht mehr vermitteln". Dieses 1985 erschienene Werk erhält durch das in diesem Jahr veröffentlichte Buch eine (theo)logische Fortsetzung, weil die Häresien dort munter vermehrt wurden. 1975, genau 10 Jahre vor dem Erscheinen der „Theologischen Gotteslehre", brachte der Frankfurter Knecht-Verlag ein Buch heraus, das nicht nur eine Annäherung, sondern eine klare Parteinahme für die Freimaurerei darstellt, gespickt mit häufigen Angriffen gegen die kirchliche Position. Das inzwischen vergriffene Werk trägt den Titel „Kirche und Freimaurerei im Dialog". Als Verfasser dieses Lobgesangs auf die Freimaurerei fungieren der Theologe Herbert Vorgrimler, der die Freimaurer freundlich als „getrennte Brüder" bezeichnet (man glaubte bislang, dieser Begriff gelte den evangelischen Christen) – sowie der Redakteur Rolf Appel, eigenen Angaben zufolge Freimaurer seit 1948, danach mit hochrangigen Funktionen bekleidet (Mitglied des Senats der Vereinigten Großlogen von Deutschland). Schon in der von Vorgrimler verfassten „Einleitung" des Buches wird die Kath. Kirche wegen ihrer Ablehnung der Freimaurerei scharf kritisiert. „Lange Zeit" sei „selbst die katholische Kirche dem Anti-Freimaurer-Wahn verfallen". Diese Fehlhaltung könne nur durch „Besinnung auf das ursprüngliche Christentum" abgebaut werden. Die Kirche müsse sich lösen von einer „hysterischen Psychose gegen Minderheiten", wobei Vorgrimler „Juden, Kommunisten und Freimaurer" namentlich benennt. - Überhaupt könnte man den Eindruck gewinnen, als ob Freimaurer in Deutschland übel diskriminiert würden, bezeichnet Vorgrimler sie doch allen Ernstes als „verfolgte und verleumdete Minderheit hierzulande". Vorgrimler berichtet, dass er kein Logenmitglied sei, weil er persönlich „verschiedene Bedenken" empfinde, die aber „nicht theologischer oder dogmatischer Natur" seien. Er kann mit freimaurerischen Symbolen und Riten nicht allzu viel anfangen, zumal es im „katholischen Christentum", wie er schreibt, „noch genug entbehrliche Symbole, Zeremonien und Titel gibt, die das Wesentliche nicht in sich bergen, sondern verdecken". - Da möchte sich der Theologe nicht mit weiteren Symbolen und Ritualen aus der Loge „belasten". Allerdings bekundet er ausdrücklich seine „Hochachtung und Zuneigung gegenüber der Freimaurerei". Im Schlusssatz seiner Einleitung bestätigt er den Freimaurern, dass er bei ihnen „nie andere Motive wahrnahm als die der Verwirklichung von Humanität, Toleranz und Gewissensfreiheit." - Nun wissen nicht wenige konservative Christen aus Erfahrung, dass die „Toleranz" vieler selbsternannter Lordsiegelbewahrer der Toleranz bisweilen genau dort aufhört, wo der Andersdenkende beginnt, seinen Standpunkt zu äußern. Damit verliert die vielgepriesene Toleranz ihren eigentlichen Sinn, denn dieser kann nur darin bestehen, dass man dem Andersdenkenden den persönlichen Respekt nicht verweigert, also zwischen Person und Sache trennt. Davon kann. freilich beim Theologen Vorgrimler keine Rede sein. Toleranz erscheint auch bei ihm als Einbahnstraße, die gegenüber angeblich „verfolgten" Minderheiten wie z. B. Kommunisten und Freimaurern eingeklagt werden muss, aber selbstverständlich gegenüber „bösen" Konservativen ihre Gültigkeit verliert. Wer die Freimaurerei eindeutig ablehnt, ist aus der Sicht des Münsteraner Dogmatikers offenbar reif für die „Klapse" oder gar ein Fall für den Staatsanwalt. Selbst dann, wenn man beispielsweise mit Pater Manfred Adlers Büchern gegen die Freimaurerei nicht übereinstimmt, wird man sich noch lange nicht dazu versteifen dürfen, den Autor einer „nazistischen Geisteswelt" zu bezichtigen, wie Vorgrimler das mehrfach unterstellt (S. 66/67). - Sieht so etwa die freimaurerisch inspirierte „Toleranz" aus, die sich flugs in eine „braune Keule" verwandelt, wenn es sich beim Andersdenkenden um einen Freimaurerkritiker handelt? Auch der damalige Bischof von Regensburg, Dr. Rudolf Graber, der sich in seiner 1973 erschienenen Schrift „Athanasius und die Kirche unserer Zeit" skeptisch zur Freimaurerei äußert, erfährt den fast rasenden Zorn Vorgrimlers, der damals als Dogmatikprofessor in Münster lehrte. Er spricht in bezug auf den Bischof vom „Untergrund, der solche Meinungen hervorbringt" und von einem „Milieu, das den innerkirchlichen Aufstand probt" (S. 68). Vorgrimler sieht seine Aufgabe nun darin, vor solchen „Tendenzen" zu warnen, „in deren Rahmen Phänomene wie Adler und Graber einzuordnen sind" (S. 68). - Neben dem Miriam-Verlag, der Monatszeitschrift „Der Fels" und der „neuen bildpost" wird auch die „Deutsche Tagespost" dem antifreimaurerischen Spektrum zugerechnet, wobei die „Übergänge zur Sektenmentalität fließend sind", wie Dr. Vorgrimler zu berichten weiß (S. 69). Auf Seite 70 lässt der Autor dann die Katze aus dem Sack und psychiatrisiert ausdrücklich seine Gegner, die schrecklichen Freimaurer-Kritiker, bei denen offenbar die hehren Worte und Werte von „Toleranz, Humanität und Gewissensfreiheit" ihr abruptes Ende finden, denn schließlich – das merke man sich bitte! - gilt „Gewissensfreiheit" nur für Gegner der Kirche, für „verfolgte Minderheiten" wie Kommunisten und Freimaurer. Vorgrimler schreibt also: „Aus dieser merkwürdigen, nur psychoanalytisch und psychiatrisch erklärbaren Subkultur des katholischen Milieus stammen die nachkonziliaren Angriffe auf die Freimaurerei. Die Erzeugung und Nährung von Psychosen ist heutzutage nicht mehr, wie in den Zeiten Pius IX. und Leos XIII., eine Angelegenheit, an der sich der Papst mit der Mehrheit der Bischöfe beteiligt. Den Betroffenen - in diesem Fall den getrennten Brüdern, den Freimaurern - mag das ein Trost sein. Man könnte diese Subkulturen sich selbst und ihren Wahnvorstellungen überlassen, da sie Feindbilder und Märtyrersehnsucht nötig haben, um überhaupt existieren zu können und ihnen niemand das Recht auf Existenz absprechen möchte ...". Bis dahin darf man beruhigt feststellen, dass der Dogmatikprofessor seinen Gegnern immerhin das „Recht auf Existenz" nicht abspricht, was schon als Fortschritt gelten mag. Der Satz ist freilich noch nicht zu Ende: „...ihnen niemand das Recht auf Existenz absprechen möchte - wären nicht schon einmal aus ähnlichen (wenn auch nicht ausgesprochen „christlichen") Subkulturen jene gekommen, denen es gelang, im Kampf gegen Juden, Freimaurer und Kommunisten die Welt ins Unglück zu stürzen." Die Nationalsozialisten, die Vorgrimler hier ins Spiel bringt, haben vor allem die katholische Kirche bekämpft, was er offenbar zu erwähnen ..vergisst". Nicht die Freimaurer, sondern Papst, Bischöfe, Jesuiten und „Pfaffen" waren die vorrangigen Feindbilder, die im „Stürmer" und ähnlichen Hetzschriften ständig attackiert und durch Karikaturen verunglimpft wurden. Großes Verständnis zeigt Vorgrimler für das bestenfalls deistische, häufig völlig verschwommene und unpersönliche Gottesbild mancher „christlicher" Freimaurer der unteren Grade (Johannislogen). Der Autor stellt fest: „Im freimaurerischen Begriff des Großen Baumeisters des Universums ist nun nichts enthalten und ausgesprochen, was dem christlichen Gottesverständnis im Weg stünde." (S. 74). Während Dr. Vorgrimler in den Seiten zuvor alle Hände voll zu tun hatte, Andersdenkende zu diffamieren und zu psychiatrisieren, fällt ihm im Zusammenhang mit der Freimaurerei wieder das Hohelied der Toleranz ein. Auf S. 76 stellt er das vermeintlich weiße Gewand der Loge dem angeblich befleckten Kleid der Kirche gegenüber: „Ein Katholik kann aber der Überzeugung sein, dass die Bejahung der Menschenrechte in der Kirche, die Bejahung der religiösen Toleranz in der Gesellschaft und damit auch die Bejahung der Gewissensfreiheit, die Einsicht, dass die Freiheit nur soweit verwirklicht ist, als die Freiheit der Einsicht in die Kirche gekommen ist." Wer hat diese „Einsichten" in den Raum der Kirche getragen? - Aber sicher doch, die „verfolgten Minderheiten" natürlich: „Er (der Katholik) wird zugeben müssen, dass die Kirche die Freiheit verschüttet hat und dass andere sie neu erkämpfen mussten. In diesem Sinne kann er Außenstehenden - Protestanten, Juden, Freimaurern, Sozialisten – für vielfältige Einsichten dankbar sein, für die seine Kirchenführer blind waren." Auf der nächsten Seite erklärt der Autor dem vielleicht damals noch staunenden Publikum, dass es durchaus einen „berechtigten Antiklerikalismus" gebe. Schließlich könne „auch ein Katholik der begründeten Überzeugung sein, die Kirche einer bestimmten Region nehme zu viel Einfluss auf das öffentliche Leben; sie sei mit zu vielen Privilegien ausgestattet, ihre legitim erworbenen Rechte stünden heute einem glaubhaften evangelischen Zeugnis im Wege, sie müsse daher, wie das Zweite Vatikanische Konzil ausdrücklich vorsah, auch auf solche legitimen Rechte verzichten." Der Autor erspart sich die Beweisführung aus dem 2. Vatikanum, das angeblich dazu aufruft, die Kirche „müsse" auf ihre „legitim erworbenen" (!) Rechte verzichten. Auch wenn die Freimaurerei dies seit Jahrhunderten fordert, „muss" die Kirche sich diesem Wunsche noch lange nicht fügen, zumal die Logen keineswegs zugunsten der Kirche auf irgendwelche „Rechte" verzichten. Wieder nur eine Einbahnstraße zu Lasten der Kirche! - Wenn dieser einseitige Antiklerikalismus überdies mit dem wohlklingenden Wort vom „evangelischen Zeugnis" verbrämt wird, stehen einem erst recht die Haare zu Berge. „Toleranz üben zu lernen ist auch für Katholiken durchaus wertvoll", schreibt Vorgrimler sogar hinsichtlich atheistischer Logen, die den „Obersten Baumeister des Weltalls" nicht verehren (S. 77/78). Solange der Glaube in diesen ungläubigen Logen nicht bekämpft werde, stehe einer Mitgliedschaft von Katholiken seiner Ansicht nach nichts im Wege. Aber selbst gegenüber betont atheistischen, gemeint sind wohl antikirchlichen Logen, bei denen sogar Vorgrimler von einer Mitgliedschaft abrät, empfiehlt er „Dialog und Zusammenarbeit" (S. 78). - Es entspräche „nicht christlichem Geist", wenn die Kath. Kirche „lediglich" ihr Verhältnis zu den „regulären Logen" ordnen würde, hingegen eine „absolute Feindschaft" gegenüber antiklerikalen „irregulären Logen" (in Frankreich z. B. der mitgliederstarke „Grand Orient de France") aufrechterhalten wolle. - Das würde bedeuten, dass die Kirche auf eine unmissverständliche Abgrenzung verzichtet gegenüber Gruppen, von denen sie bekämpft wird. So etwas wie „Feindschaft" darf sich offenbar nur die Loge leisten; von Seiten der Kirche handelt es sich im gleichen Fall um ein „pathologisches Feindbild" (S. 78). Wieder einmal fällt dem Theologen Vorgrimler das Zweite Vatikanum ein, wenn ihm sonst nichts mehr einfällt. Es muss jetzt dazu herhalten, „im Interesse der Menschheit" tätig zu werden: „Es entspräche nicht den vom Konzil ausgehenden Impulsen, wollte man gar nicht nach Aufgaben fragen, die sich möglicherweise im Interesse der Menschheit und einer humanen Zukunft für Katholiken und Freimaurer gemeinsam abzeichnen." (S. 79) Mit diesem wenig sagenden, aber viel andeutenden Schlusssatz verabschiedet sich Prof. Vorgrimler von den Lesern des Buches. Möglicherweise denkt er an etwas Ähnliches wie sein theologischer Ziehvater Karl Rahner, der bereits 4 Jahre zuvor, nämlich 1971, in dem Sammelband „Zur Theologie der Zukunft" auf S. 111 folgendes über die „planetarische Menschheit" zu schreiben wusste: „Der Mensch von heute und erst recht der von Morgen ist der Mensch einer planetarisch vereinheitlichten Geschichte, eines globalen Lebensraumes und damit der Abhängigkeit jedes von schlechthin allen. Die UNO ist dafür nur ein bescheidenes Indiz." Was nun den Buch-Kollegen Rolf Appel betrifft, so stimmt er natürlich mit dem Theologen Vorgrimler in der Wertschätzung der Freimaurerei überein, zumal er dort seit Jahrzehnten als Mitglied zuhause ist. Man muss dem Redakteur und Verleger Appel allerdings zugutehalten, dass er die Logengeschichte weitaus kritischer sieht und sichtet als der katholische Dogmatiker, was einigermaßen erstaunt. Immerhin räumt er ein, dass vor allem im 18. Jahrhundert schwerwiegende Fehler und Ver(w)irrungen seitens der Freimaurerei vorgekommen sind; ein Gedanke, den Prof. Vorgrimler vermutlich nie zu denken wagte, jedenfalls floss er nicht in seine Tinte. Der bekennende Freimaurer Rolf Appel jedoch konstatiert offenherzig: „Es ist nur zu verständlich, dass die katholische Kirche den größten Argwohn gegenüber der Freimaurerei hegen musste", zumal die Logenarbeit damals „streng geheim" gewesen sei (S. 125). Das hört sich deutlich anders an als die antikirchlichen Attacken Vorgrimlers gegen die vermeintlich „pathologischen Wahnvorstellungen" und die „Erzeugung von Psychosen" durch Papst und Kirche, wogegen er auf den Seiten 62 bis 70 unerbittlich polemisiert. Im Anhang an den Vorgrimler-Artikel wird übrigens die freimaurerfreundliche „Lichtenauer Erklärung" von 1970 dokumentiert, an der Prof. Vorgrimler mitwirkte, die aber nicht einmal vom Wiener Kardinal König unterzeichnet wurde, obgleich dieser der Freimaurerei keineswegs feindlich gegenübersteht. - Bischof Dr. Josef Stimpfle (Augsburg) erklärte am 12. Mai 1980 im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz in einer Pressemitteilung: „Die Lichtenauer Erklärung hat keinerlei kirchliche Autorisierung erhalten: Weder von einer Bischofskonferenz noch von einer römischen Behörde." Außerdem stellte er klar: „Die gleichzeitige Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche und zur Freimaurerei ist unvereinbar." - Seine Begründung: „Die Freimaurerei hat sich in ihrem Wesen nicht gewandelt. Eine Zugehörigkeit stellt die Grundlagen der christlichen Existenz in Frage." Die „Deutsche Tagespost", in Dr. Vorgrimlers Buch der antifreimaurerischen „Subkultur" zugerechnet, veröffentlichte am 8. 12. 1981 ein Interview von Radio Vatikan mit Bischof Stimpfle. Darin gibt der Augsburger Oberhirte zu erkennen, dass sogar die jahrelangen offiziellen Gespräche mit „regulären" (nicht antikirchlichen) Freimaurern nur einen Einblick in die unteren drei Grade ermöglicht haben. Der Bischof berichtet wörtlich: „Die Freimaurerei ist auf vielen Graden aufgebaut. Nur für die unteren drei Grade (Lehrling, Geselle, Meister), für die „Johannismaurerei", erstreben die Freimaurer eine kirchliche Beitrittserlaubnis, während sie für die höheren Grade eine Öffnung zur Kirche hin nicht erstreben, offensichtlich auch gar nicht für möglich halten. Die höheren Grade, ihr Wesen, ihre Ziele und Aktivitäten, hüllen sie in ein undurchdringliches Geheimnis. Noch im Jahr 1980 hat der zugeordnete Großmeister G. Großmann eine Verstärkung des Geheimnischarakters der Freimaurerei gefordert." Daraufhin stellt der Bischof die berechtigte Frage: „Wie kann sich die Kirche einer Organisation öffnen, deren oberste Leitung ihre Pläne und Unternehmungen völlig verborgen hält?" Die eindeutige Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz, vom „Spiegel" (Nr. 13/81) damals als „Anti-Freimaurer-Bannfluch" und „Rückmarsch ins Ghetto" bezeichnet, führte zu wütenden Ausfällen des „herausragenden Theologen". Der Unvereinbarkeits-Beschluss des deutschen Episkopats gehöre, so Dr. Vorgrimler, „in die Sammlung aberwitziger Bannflüche seit 150 Jahren". Er fügte hinzu: „Die Kirche muss sich nicht wundern, wenn sie angesichts solcher Erklärungen als Gesprächspartner nicht mehr ernst genommen wird." Das „alte" Kirchenrecht (CIC von 1917) enthielt bekanntlich eine Bestimmung (can. 2335), wonach der Beitritt zur Freimaurerei bei Strafe der Exkommunikation verboten ist. Nachdem die Freimaurerei im neuen CIC von 1983 nicht mehr ausdrücklich erwähnt ist, wurde dies von interessierter Seite so verstanden, als stände damit einer Logenmitgliedschaft von Katholiken nichts mehr im Wege. Kardinal Joseph Ratzinger trat angesichts der offensichtlichen Verwirrung auf die Notbremse und veröffentlichte am 26. 11. 1983 unter Berufung auf den Papst eine offizielle Erklärung der Glaubenskongregation, in der es heißt: „Das negative Urteil der Kirche über die freimaurerischen Vereinigungen bleibt also unverändert, weil ihre Prinzipien immer als unvereinbar mit der Lehre der Kirche betrachtet wurden und deshalb der Beitritt zu ihnen verboten bleibt." Zu jener Zeit, als Prof. Vorgrimler sein Dialogbuch pro Freimaurerei herausbrachte (1975), galt ohnehin noch der alte CIC, der für die Mitgliedschaft in der Loge ausdrücklich die Exkommunikation vorsah. - Man hätte nun erwarten dürfen, dass das Vorgrimler-Buch nicht ohne Folgen bleibt, stellt es doch eine offensichtliche Parteinahme für die Freimaurerei dar, verbunden mit scharfen Attacken gegen die Kirche, besonders gegen Bischof Rudolf Graber. Meines Wissens führten weder diese noch andere Veröffentlichungen des Rahner-Schülers im zuständigen Bistum Münster zu diszipliniarischen bzw. kirchenrechtlichen Konsequenzen, obwohl dieser Startheologe" seit Jahrzehnten seine Häresien publiziert. Im Gegenteil: die Freundschaft zwischen Diözesanbischof Dr. Reinhard Lettmann und dem „undogmatischen" Dogmatiker Vorgrimler ist seit langem bekannt. Niemand macht ein Geheimnis daraus, am wenigsten der Oberhirte selbst. In den „Westfälischen Nachrichten" erschien am 12.5.2003 ein vierspaltiger Artikel mit großem Foto und vielsagendem Titel: „Dank an einen herausragenden Theologen". Gemeint war damit kein Geringerer als Dr. Herbert Vorgrimler, dessen „Goldenes Priesterjubiläum" es zu feiern galt. Offenbar scheint es ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass bei prominenten Theologen - Häresien hin oder her – auch hochrangige Amtsträger zur Stelle sind, die allzu gut wissen, was sie dem Zeitgeist schuldig sind. Das breitformatige Zeitungs-Foto zeigt Dr. Vorgrimler als Hauptzelebranten am Altar, daneben die Bischöfe Dr. Reinhard Lettmann, Heinrich Mussinghoff (Aachen), Evmenios von Lefka (griechisch-orthodox) sowie zwei weitere Geistliche. - „Drei Bischöfe gratulierten", schreiben die „Westfälischen Nachrichten" stolz im Untertitel. Diese Tageszeitung erscheint im Aschendorff-Verlag, der auch das neueste Buch von Dr. Vorgrimler herausbringt. Zeitungsreporter Johannes Loy beginnt seinen Bericht mit sichtlicher Begeisterung: „Generationen von Studierenden hat er geprägt, sein Name ist in der theologischen Forschung weltweit ein Begriff und „sogar dem Papst bekannt", wie Bischof Dr. Reinhard Lettmann schmunzelnd formulierte. Prof. Dr. Herbert Vorgrimler (74), emeritierter Universitätsprofessor für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, feierte am Samstag sein Goldenes Priesterjubiläum ...". Die Zeitung schildert auch die Predigt des Diözesanbischofs: „Bischof Reinhard Lettmann dankte Vorgrimler für seinen Dienst als Priester und theologischer Lehrer. „Das Priesteramt ist kein „Job", sondern ein Dienst in der Berufung Gottes. Diesem Ruf ist auch unser Jubilar gefolgt." Theologie müsse sich an der Geschichtlichkeit festhalten und dürfe sich nicht in die Mythologie oder in ein Glasperlenspiel flüchten. Dies habe Vorgrimler immer wieder gelehrt. Lettmann wörtlich: „Wenn das Heil geschichtslos wird, wird auch die Geschichte heillos." Die „Westfälischen Nachrichten" berichten sodann, dass Dr. Vorgrimler auch in der Krankenseelsorge des Clemenshospitals von Münster mitwirke. Darauf will sich der „herausragende Theologe" freilich nicht beschränken, denn: „Etliche weitere Buchprojekte liegen auf seinem Schreibtisch." Dass der Aschendorff-Verlag seinen eigenen Autor hofiert, kann man gewiss nachvollziehen, wenngleich die Verehrung zuweilen merkwürdige Ausmaße annimmt. Als der Zeitungsverlag am 22. Januar dieses Jahres zu einem Vortrag mit Prof. Vorgrimler einlud und zugleich sein neues Buch vorstellte, kamen ca. 170 - meist weibliche - Zuhörer. Ein Verlagsmitarbeiter würdigte den Referenten in seiner Begrüßung über alle Maßen, indem er beispielsweise sagte, er sei „nicht würdig, ihm (Dr. Vorgrimler) die Schuhriemen zu lösen". - Abschließend appellierte er an die Anwesenden: „Was er euch sagt, das tut!" - Gemeint war mit „er" nicht etwa Jesus Christus, sondern der gefeierte Theologe von der schreibenden Zunft. Zu den „Fans" von Dr. Vorgrimler gehört anscheinend auch Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff (Aachen), der vor seiner Bischofsweihe als Dompropst in Münster tätig war. Er ist zum Vize-Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz aufgestiegen und gilt, wie es in einer Überschrift der „Westfälischen Nachrichten" heißt, als „Mann der leisen Töne mit Ambitionen". - Weniger leise, sondern eher verwunderlich klang es freilich, als Bischof Mussinghoff beim „Weltgebetstreffen der Religionen" in Aachen (7. bis 9. September 2003) Folgendes zum Besten gab: „Gott ist nicht katholisch. Gott ist nicht evangelisch. Gott ist nicht orthodox. Gott ist nicht einmal christlich." Am 12. Mai 2003 konzelebrierte er beim „Goldenen Priesterjubiläum" von Dr. Vorgrimler gemeinsam mit Bischof Reinhard Lettmann. In einem Interview mit den „Westfälischen Nachrichten" vom 14. August 2003 erklärte Bischof Mussinghoff, dass er sich weiterhin gelegentlich mit Prof. Vorgrimler treffe. Auf die Frage „Was vermissen Sie heute?", antwortete der Aachener Oberhirte: „Den Kontakt zur katholisch- theologischen Fakultät. Eine solche Fakultät gibt es in Münster, in Aachen nicht ... Einen regelmäßigen Gedankenaustausch mit Theologie-Professoren pflegen zu können, das habe ich während meiner Zeit als Dompropst sehr geschätzt und genossen." Diesen Gedankenaustausch schätzt auch sein Münsteraner Amtskollege Reinhard Lettmann, jedenfalls in bezug auf Dr. Vorgrimler. Als der Bischof im Februar 2003 seinen 70. Geburtstag feierte, erschienen in der Bistumszeitung „Kirche und Leben" (Nr. 8/2003) drei positive Würdigungen, darunter auch eine von Bischof Mussinghoff unter dem Titel „Treue und Beständigkeit". - Einen weiteren Beitrag („Hoch gebildet und tief geerdet") über Dr. Reinhard Lettmann verfasste Fritz Pleitgen, politisch linksorientierter WDR-Intendant und bis vor kurzem auch Chef der ARD. - Der fünfspaltige Artikel „Dem Kommenden entgegen" stammte selbstverständlich vom „herausragenden Theologen". Dr. Vorgrimler bezeichnet sich darin als „persönlichen Wegbegleiter" und „Weggefährten" des Münsteraner Oberhirten. Er berichtet von gemeinsamen Urlaubsreisen und „unvergesslichen Situationen", z. B. der folgenden: „Zu ihnen gehört ein Abend in den Bergen des Sinai, als das Feuer tief niedergebrannt war, die zwei Beduinen schliefen, die Kamele leise schnaubten, als wir schlaflos die Sternenpracht des tiefdunklen Himmels schauten und Reinhard Lettmann englische Gedichte rezitierte." Der Theologe schildert seinen „Weggefährten" als jemanden, der durch Gebet und Gottvertrauen die Kraft finde, ein „positiver, konstruktiv denkender und auch ein toleranter Mensch zu sein." - Dr. Vorgrimler fügt hinzu: „Mit den Miesmachern, den „Unheilspropheten", die überall nur Verderben und Untergang wittern, hat er nichts gemein." Auch wenn glaubenstreue Katholiken in den Veröffentlichungen des Münsteraner „Startheologen" keinen Untergang wittern, so erkennen sie durchaus Verderben darin, wenn Glaubensfundamente zerstört und wesentliche Wahrheiten der Heiligen Schrift und der verbindlichen kirchlichen Lehre geleugnet werden. Das gilt besonders für die Gottheit Christi, denn mit dem Glauben an den Gottmenschen Jesus Christus steht und fallt nicht „nur" der katholische Glaube, sondern das Christentum insgesamt.

Anschrift der Autorin

 

Felizitas Küble; Schlesienstr. 78; 48167 Münster